Gemeinsame Inhaltseingabe (Positionierungen)

Auf dem Abschlussplenum des „Wem gehört die Kunst?“-Kongresses vom 24.-26.2.2017 wurde spielerisch ein kollektives, inhaltliches Ergebnis der inhaltlichen Arbeit des Kongresses in konkreten Positionen, Forderungen und Ideen festgehalten.

Dabei konnte jede_r Beteiligte_r anonym Vorschläge einreichen, die dann zur Abstimmung im Plenum gestellt wurden. Es konnte mit Ja, Nein oder mit einem Veto (mit einem Gewicht von 10 Nein-Stimmen) abgestimmt werden. Als Ergebnis wurden 31 Positionen (von insgesamt 93 Vorschlägen) beschlossen, die wir in diesem Text wiedergeben möchten:

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Das Projekt „Wem gehört die Kunst?“ behandelt u.a. die Thematisierung und Verbesserung von Förderbedingungen und -strukturen für freie Künstler_innen, Kreative, Kulturarbeiter_innen und gesellschaftlich Engagierte in einem künstlerisch/kulturellen Rahmen. Hierbei wird zunächst ein Unterschied zwischen etablierten Kulturinstitutionen und der freien Kunstszene offenbar, in dem – vereinfacht gesagt – die einen mit hohen Budgets und Festanstellungen arbeiten können, während sich die (doppelt) „Freien“ mit kurzzeitigen und befristeten Projektgeldern prekär durchs Leben schlagen müssen. So entsteht der Eindruck einer bestimmenden Kunst- und Kulturklasse (mit entsprechendem sozial-ökonomischen Background), die nicht nur viel Geld für wenige prestigeträchtige Projekte ausgibt, sondern damit auch definiert, was relevante und „gute“ Kunst bzw. Kultur sei. Dabei sollte Kunst keiner bestimmten gesellschaftlichen Klasse vorbehalten bleiben, sondern unter Einbeziehung der freien Szene(n) für alle, offen und vielfältig sein.

Statt eine Institutionalisierung weiter voran zu treiben, wollen wir einen Versuch starten Strukturen und Zusammenhänge aufzubauen, in denen solche Widersprüche praktisch und theoretisch verhandelt und bearbeitet werden können. Um daraus neue Freiräume für Künstler_innen zu schaffen, aber auch bereits erstrittene Freiräume zu erhalten, braucht es eine starke solidarische Gemeinschaft von Künstler_innen, Kreativen, Kulturarbeiter_innen, etc. Es ist unabdingbar, dass wir uns solidarisch in der freien Szene gegen das etablierte Kulturganze positionieren. Nicht, indem wir deren Notwendigkeit oder Existenz in Frage stellen, sondern eine Teilhabe an den Etats und Möglichkeiten konsequent einfordern. Die Solidarität von Seiten der „etablierten“ (Kultur-)Institutionen mit der sogenannten „zweiten Freien Szene“ ist wünschenswert und notwendig. Wir wollen gemeinsam Förderrichtlinien und -möglichkeiten verändern!

Eine weitere wichtige Forderung, um einem Ausschluss (gesellschaftlicher Gruppen) entgegen zu wirken, sind klarer formulierte und mehrsprachige Ausschreibungstexte. Gerade für das Ruhrgebiet, in dem Menschen aus knapp 200 Nationen leben, ist Mehrsprachigkeit von besonderer Bedeutung. Ebenso wichtig ist eine solidarische Vergütung der Menschen im Kunst- und Kulturbetrieb, sodass nicht nur Mitarbeiter_innen in etablierten und entsprechend finanziell ausgestatteten Institutionen anständig bezahlt werden, sondern auch die Arbeit der freien Künstler_innen angemessen wertgeschätzt wird. So wurde allen Teilnehmer_innen des Kongresses ein symbolischer Stundenlohn von 10 EUR für ihre Teilnahme, also ihre Auseinandersetzung (=Arbeit) mit Arbeitsbedingungen von Künstler_innen, Fördermöglichkeiten und -strukturen, vergütet. Dies soll darüber hinaus auch ein generelles Bewusstsein für die Künstler_innenhonorierung und Ausstellungsvergütung schärfen, welche allzu oft gar nicht gezahlt werden oder zu gering ausfallen.

Eine solche Transparenz in Bezug auf Bezahlung wird auch von den etablierten Institutionen und Förderern erwartet: Förderstrukturen müssen transparent gemacht werden, inklusive der Vergabemethoden und der Gehälter derjenigen, die für diese Förderstrukturen und in den Institutionen arbeiten. Nur so können eine ökonomische Ungleichheit sichtbar und eine gerechte(re) ökonomische Verteilung möglich gemacht werden. Kunst- und Kulturförderung muss sich demokratisch legitimieren, was nur mit Transparenz einhergeht. Insbesondere bei der Vergabe der IKF-Gelder („Individuelle Förderung von Künstlerinnen, Künstlern und Kreativen“) wird mehr Transparenz gefordert, sowohl in der Vergabestruktur (diese soll in allen Bereichen entweder in öffentlichen Juryentscheidungen oder durch eine gemeinsame Mittelvergabe unter Einbeziehung der Antragsteller_innen – wie es im Projekt bereits bei der Vergabe der Labore praktiziert wurde – stattfinden, anstatt in Hinterzimmern eigene intransparente und (kreativ)wirtschaftliche Interessen durchzusetzen), als auch in ihren Ablehnungen von Projektanträgen (die Ablehnungen sollen konkret, auf den Antrag bezogen und hinreichend begründet werden). Öffentliche Förderung darf nicht in der Hand privater Unternehmen liegen. Es muss daher sichergestellt werden, dass die IKF bzw. ihr Vergabegremium sich demokratisch legitimiert und eine inhaltliche Kompetenz aufweist  sowie Transparenz bei der Mittelvergabe und deren jeweiliger Begründung schafft. Dabei sollte nicht nur bei der Vergabe, sondern auch im Gremium selbst auf mehr Diversität geachtet werden, damit nicht nur kleine Personenkreise von der Förderung profitieren.

„Gib Geld!“ ist daher eine weitere Forderung des Kongresses. Mehr Geld ist aber nicht nur für Künstler_innen, etc. wichtig, sondern auch, um mehr verschiedene Menschen in künstlerische, kreative, kulturelle, kurz: gesellschaftliche Prozesse mit einzubeziehen. Dazu gehört es unserer Ansicht nach auch, „Fachfremden“ und Menschen ohne akademische Bildung eine aktive als auch passive Teilhabe am künstlerischen und kulturellen Leben zu ermöglichen. Aber es geht auch nicht „nur“ um Kunst, sondern um gesamtgesellschaftliche Veränderung und Partizipation, um das Gemein-Wohl einer künstlerisch-kreativen, aktiven Gesellschaft. Wir fordern das Recht auf unordentliche Öffentlichkeit und öffentliche Unordnung im Stadtgebiet. Es braucht mehr Chaos, mehr Experiment, mehr maximale Erfahrung. Anstatt nur zu jammern, wollen wir gemeinsam progressiv agieren.

Für eine lebendige Kultur- und Kunstszene reicht eine reine (individuelle) Projektförderung nicht aus. Eine Strukturförderung zur Finanzierung der notwendigen Ressourcen, wie Arbeitsräume (Miete, Strom, Heizung), Materialien, Werkzeuge, Werbung, etc. ist unabdingbar, um die eigentlichen Projektideen überhaupt umsetzen zu können. Außerdem muss es langfristige Förderungen geben, um die Möglichkeit einer freien Entwicklung zu geben und zu fördern. Es muss möglich sein auch mal den Mut zur Pause aufzubringen, anstatt sich in zeitlich begrenzten „kreativen“ Schaffensprozessen abzuhetzen und selbst auszubeuten. Dem Prozess und dem Tun muss jenseits des Ergebnisses zu einem anerkannten Wert verholfen werden. Wir halten daher eine grundsätzliche finanzielle Absicherung aller Künstler_innen für richtig und notwendig.

Wir fordern deshalb auch, dass jeder eingegangene und formal von der jeweiligen Institution akzeptierte Antrag finanziell honoriert wird – dies soll unabhängig von Bewilligung oder Ablehnung des Antrags geschehen. Nach Erhalt der Eingangsbestätigung (Eingangsbestätigung = Antrag auf formale Korrektheit geprüft) durch die fördernde Institution soll eine Aufwandsentschädigung in noch auszuhandelnder Höhe für die Erstellung des Antrags gezahlt werden.

In Zukunft wollen wir konkrete Vorschläge erarbeiten, wie die Förderstrukturen in Bezug auf Verteilung, Transparenz und Höhe der Gelder beeinflusst werden können. Dazu brauchen wir noch mehr Begriffsschärfe für konstruktive Diskussionen. Im weiteren Verlauf des Projekts „Wem gehört die Kunst?“ wollen wir uns außerdem fragen, ob überhaupt und wie konkret sich ein „philosophisches Doch“ (bzw. ein gemeinsames politisches Ziel) finden lässt, um die verschiedenen Energien und Talente der freien Szene in Events, Aktionen oder Ausstellungen, etc. zu bündeln. Wir nutzen das Spiel als Lusterfahrung mit der Kunst, im Kongress, als Form der Ordnung, als unordentlicher Spaß, als Illusion von Fortschritt und dabei bitte immer schön vernünftig bleiben. Machen wir einen vernünftigen Kongress in einer vernünftigen Gesellschaft. Das ist das Recht auf Unvernunft. Im Widerspruch zum kritischen Objekt steckt das Original als negativer Stempel. Es braucht mehr Chaos, mehr Experiment, mehr maximale Erfahrung. Kunst und Kongress nicht trennen. Die Kunst gehört dem Kongress.

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Hier geht es zu den unveränderten Originaleingaben nach Punkten sortiert.