Gemeinsame Mittelvergabe am 18.11.2017

Am Samstag, den 18. November 2017, ist die zweite Gemeinsame Mittelvergabe in dem Projekt „Wem gehört die Kunst?“ erfolgreich durchgeführt worden.

Rund 50 Menschen aus verschiedenen Kunst-Kontexten im Ruhrgebiet kamen im Autonomen Zentrum Mülheim zusammen, um gemeinsam über die Vergabe von Fördermitteln zu entscheiden.  Eine ungewöhnliche Situation: Hier entschieden alle, die der Ausschreibung gefolgt waren und einen Antrag eingereicht hatten, gemeinsam in einem solidarischen Aushandlungsprozess darüber, welche Projekte realisiert werden sollten. Die Gemeinsame Mittelvergabe ist ein Instrument zur Vergabe von Fördermitteln, das vom Netzwerk X zum ersten mal 2013 erprobt und nun gemeinsam mit Urbane Künste Ruhr, Ringlokschuppen Ruhr und partizpierenden Personen aus Kunst-Kontexten von “Wem gehört die Kunst?” im Rahmen des Projekts weiterentwickelt wurde. Mehr Informationen zum Konzept der Gemeinsamen Mittelvergabe finden sich hier.

Da dies kein leichtes Unterfangen darstellt, freuen wir uns um so mehr, dass die Mittelvergabe von einer optimistischen und solidarischen Grundstimmung geprägt war und die Fördersumme von insgesamt 35.000 EUR an 10 von 29 Individuen und Kollektive aus Kunst-Kontexten in einem für alle transparenten Prozess vergeben werden konnten.

Der beantragte Gesamtbedarf belief sich auf knapp 162.000 EUR. Obwohl nur etwa ein Fünftel dieser Summe zur Verfügung stand und somit nicht alle Förderbedarfe gedeckt werden konnten, gab es viel Zustimmung und positives Feedback für den partizipativen und selbstbestimmten Prozess. Zudem wurden alle Teilnehmenden mit 10 EUR pro Stunde für ihre Juryarbeit bei der Gemeinsamen Mittelvergabe entlohnt.

Foto: wemgehörtdiekunst.de

Um 11 Uhr startete die Gemeinsame Mittelvergabe mit der Begrüßung durch das Orga-Team, der Vorstellung des geplanten Tagesverlaufs und einer Erläuterung der Förderabsichten von “Wem gehört die Kunst?” anhand der Ausschreibung.

Auf Grundlage der großen Differenz von beantragtem Bedarf und zur Verfügung stehenden Mitteln wurde allen Anwesenden die Möglichkeit eingeräumt, ihre Antragssumme herunter zu setzen, immer mit dem Hinweis, dass dies kein Zwang ist und darauf geachtet werden muss, dass durch eine solche Selbstkürzung keine Selbstausbeutung entsteht. Die Solidarität untereinander war aber so groß, dass es allen Antragsteller_innen wichtig war, trotz massiver Überzeichnung möglichst viele Projekte fördern zu können. Dies war vor allem auch deshalb ein Anreiz, weil deutlich gemacht wurde, dass diese Mittelvergabe und das Projekt “Wem gehört die Kunst?” lediglich experimentelle Erprobungen eines neuen Fördermodells sind, das sich derzeit noch in Entwicklung und Beforschung befindet. Eine Verbesserung der Fördermöglichkeiten für und Teilhabe von Individuen und Kollektiven aus Konst-Kontexten soll das eigentliche Ziel sein und kann innerhalb von “Wem gehört die Kunst?” nur als kleine und kurzfristige Simulation stattfinden. Der Großteil aller Antragsteller_innen konnte sich daher Einsparungen vorstellen, einige Kostenpläne wurden über Februar hinaus angelegt und mussten sowieso auf die reale Projektlaufzeit herunter gerechnet werden, andere hatten bereits möglichst knapp kalkuliert und konnten ihre Antragssumme daher nicht verringern – was auch positiv aufgenommen wurde. So wurde der Gesamtbedarf von knapp 162.000,- EUR auf insgesamt 108.240,- EUR reduziert.

Dieser Vorgang ist durchaus kritisch zu betrachten. Zum einen war es dem engen Zeitplan geschuldet, dass gleich zu Beginn der Gemeinsamen Mittelvergabe auf die Möglichkeit zur Selbstkürzung eingegangen wurde. Der bessere Weg wäre gewesen, dieses Thema später zu verhandeln, nachdem die Projekte inhaltlich vorgestellt worden waren und es Raum und Zeit gab, über Synergien und Überschneidungen mit anderen Projekten nachzudenken, woraus sich faktische Kostenreduzierungen ergeben und nicht das Projekt an sich kleingerechnet werden muss. Zum anderen konnte so – trotz ständig wiederholter Hinweise auf die Vermeidung von Selbstausbeutung und die angemessene Durchführbarkeit der Vorhaben – auch ein gewisser sozialer Druck entstehen, die eigenen Projektkosten zu kürzen. Eine solche Situation sollte in zukünftigen Mittelvergaben vermieden werden.

Alle Projekte bekamen 5 Minuten Zeit zur Vorstellung ihres Vorhabens, und es gab 5 Minuten für Rückfragen. Das hört sich zunächst wenig an, bei 29 vorliegenden Anträgen sind das aber etwa 5 Stunden voll geballter Informationen, allgemeiner Konzentration und In-Verhältnis-Setzung, weshalb noch mehrere Pausen dazu gerechnet werden mussten. Allerdings war die Grundhaltung aller Anwesenden sehr diszipliniert, und Pausen konnten auf Wunsch der Versammlung kurz gehalten werden.

Foto: wemgehörtdiekunst.de

Nachdem alle Maßnahmen und Projekte vorgestellt wurden, gab es noch einmal eine kurze Zusammenfassung aller Projektvorhaben, bevor es zum Voting kam. Bei der Stimmabgabe konnte jede Einzelperson eine Wertung von null bis vier Punkten abgeben (0=Ablehnung, 1=eher nein, 2=neutral, 3=eher ja, 4=volle Zustimmung), waren mehrere Personen stellvertretend für ein Projekt anwesend, wurde ein Mittelwert aus den individuellen Stimmen dieser Gruppe gebildet. Nach der geheimen Stimmabgabe und Auszählung wurde nun ersichtlich, welche und wie viele Projekte gefördert werden können. Alle Projekte wurden anhand der erreichten Punktzahl von oben nach unten sortiert. Nach 10 Projekten kam die Rechnung mit einer nahezu perfekten Punktlandung bei einer Summe von 34.936 EUR aus.

Hier schloss sich noch einmal die Frage nach solidarischen Kürzungen der Kostenpläne an – eigentlich der bessere Zeitpunkt, als zu Anfang –, was aber an der Schwelle von knapp 3.000 EUR bis zur Bewilligung des Antrags auf dem 11. Platz und der bereits durchgeführten Kürzungen von der großen Mehrheit der Versammlung als nicht sinnvoll bewertet wurde. Somit stand das Ergebnis fest: Von 29 Projektanträgen konnten 10 bewilligt werden.

Neben der nun anstehenden Begleitung der 10 geförderten Projekte sollen die leider nicht bewilligten Projekte aber nicht einfach vergessen werden. Auch sie wollen wir in unsere Auswertung des Gesamtprozesses und zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Mittelvergabe einbeziehen sowie Möglichkeiten der Vernetzung und Kooperation schaffen.

Hier nun die 10 geförderten Projekte:

Progranauten: Klausur und Recherche

  • Klausurtagung zur Recherche, Planung und Konzeptionen für die Jahre 2018 und 2019 mit dem performativen Zeitungsprojekt „Der schlechte Ruf“.

raum e.v.acting in concert presents / esskultur / zunkunft des raum e.v.

  • Erarbeiten einer langfristigen Perspektive für den [….] raum und Vorbereitung der Projekte acting in concert und Esskultur.

Aktion für Freiräume Essen (A.F.F.E.): Freiraum-Lokal Essen

  • Schaffung eines neuen selbstverwalteten kulturellen, künstlerischen und politischen (Frei)Raumes mit angeschlossenem Atelier in Essen.

Konzertgruppe im Makroscope: HUNGERSPIELE. Berichte aus dem Ausbeutungsbetrieb ‘Underground’

  • Zeitungsprojekt zur Prekarität der DIY-Szene und Ausrichten eines exemplarischen Konzerts mit ausnahmsweise fairer Bezahlung.

Jibel Jay: jibel jay wird selbständig

  • Jibel Jay wird im öffentlichen Raum arbeiten und dabei unter Einbezug von anderen Künstler_innen verschiedene Finanzierungsmodelle ausprobieren und neu entwickeln.

“TrotzAllem – sozikulturelles Zentrum” / Soko e. V. / GustavLandauerBibliothek: Kollektiv der Kollektive

  • Mehrere Maßnahmen, die gemeinsam die räumliche und organisatorische Struktur des TrotzAllem stärken.

Transnationales Ensemble Labsa: Tomorrow Club Kiosk_rework

  • Neugestaltung eines Raumes & Strategieworkshop.

Galerie Clowns & Pferde: Winterprogramm 2017/2018

  • Finanzierung zum Erhalt der Struktur und zur Durchführung von Programm und notwendigen Arbeiten.

Screwing Bitches (Hohmann/Ebmeier): Screwing Bitches – Wie sie ihr Auto repariert. Ein nachhaltiger DIY-YoutubeKanal.

  • Feministisches Empowerment-Projekt zur Reparatur von Autos und Erstellung von Youtube-Tutorials.

Feministisches Kollektiv FAM_: FAM_

  • Klausurtagung zur Vorbereitung von Parameterverschiebungen verschiedener Formate in 2018 und Anschaffung von mobilem Equipment.

Wir wollen versuchen, die Projektbegleitung und einzelne Schritte oder Veranstaltungen zeitnah auf diesem Blog zu veröffentlichen, damit der Prozess nachverfolgbar ist. Eine Auswertung wird im Februar 2018 erfolgen.


Hier die weiteren Projekte, die sich bei “Wem gehört die Kunst?” beworben haben, aber leider nicht gefördert werden konnten:

2 Gedanken zu “Gemeinsame Mittelvergabe am 18.11.2017

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